“Potentiale des Nutzhanfanbaus voll ausschöpfen” – so lautet der Titel des Bundestagsantrags von Linkspartei und Grünen, mit dem endlich viele bürokratische Einschränkungen und Wettbewerbsnachteile abgeschafft, unnötige Strafverfolgungsmaßnahmen eingestellt und die Forschung zu dem nachhaltigen Rohstoff gefördert werden sollte. Dieser Antrag wurde nun in der letzten regulären Sitzungswoche des Bundestages vor der Wahl mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und AfD abgelehnt, die FDP enthielt sich. Auffallend ist jedoch, dass alle Parteien – mit Ausnahme der AfD, die sich nicht an der Aussprache beteiligte – sich für eine Reform aussprachen und Verbesserungen nach der Bundestagswahl anstreben.
Doch in den vergangenen vier Jahren wurden auch einige Nachbesserungsbedarfe festgestellt: Obwohl die gesetzlichen Krankenkassen die Kostenübernahme nur im begründeten Ausnahmefall ablehnen dürfen, beträgt die Ablehnungsquote rund 40 %. Selbst einige vorherige Inhaber/innen einer Ausnahmegenehmigung erhalten nun die Kosten ihrer Medizin nicht erstattet. Und selbst wenn eine Genehmigung erfolgt, fürchten einige Ärztinnen und Ärzte von den Krankenkassen in Regress genommen zu werden. Ein Großteil der Ärzteschaft hat bis heute noch nie Cannabis verordnet, insbesondere weil sie hierzu immer noch keine Fortbildung erhalten haben.
In einem vorangegangenen Berichterstattergespräch des zuständigen Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sprachen sich mehrere Experten übereinstimmend für eine Gesetzesreform aus. Die Experten verneinten zudem das angebliche Missbrauchsrisiko, dass für die Unionsfraktion ein wesentlicher Grund zur Ablehnung des Antrages war, welcher die Anpassung der THC-Grenze im Nutzhanf von 0,2 auf 0,6 % vorsah, wie er beispielsweise in Italien üblich ist. Aus der Schweiz ist selbst bei einem Wert von 1,0 % THC kein sogenanntes Missbrauchsproblem bekannt. Eine 1,0 % THC-Grenze für Nutzhanf ist auch die Forderung des BvCW.
„Die unverhältnismäßig niedrige Grenze stellt einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für deutsche Landwirte dar. Sobald Sie nur geringfügig überschritten wird, muss die gesamte Ernte vernichtet werden. Das ist völliger Unsinn, zumal keinerlei Missbrauchsfälle hierzu bekannt sind.” macht Marijn Roersch van der Hoogte, Vizepräsident und Fachbereichskoordinator für Nutzhanf & Lebensmittel beim BvCW, deutlich.
Die SPD-Fraktion vertrat die Auffassung, das Nutzhanf bereits kein Thema mehr im BtMG sei, wenn der THC-Grenzwert eingehalten werden. Der BGH stellte jedoch in seinem Urteil zum AZ: 6 StR 240/20 vom 24.03.2021 fest, dass auch dieser “Betäubungsmittel” im Sinne des BtMG ist. Bundesweit wird ein erheblicher geschäftsschädigender Strafverfolgungsaufwand gegen Unternehmen und Gewerbetreibende der Cannabiswirtschaft betrieben, obwohl ein Rausch mit diesen Produkten praktisch ausgeschlossen ist. “Es ist daher höchste Zeit, dass Nutzhanf vollständig rehabilitiert und somit aus dem Betäubungsmittelgesetz gestrichen wird”, so Verbandsgeschäftsführer Jürgen Neumeyer. Der Verband setzt nun auf eine Änderung möglichst bald nach der Bundestagswahl.
Foto: Claudio Schwarz