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CanG: Appell für wissenschaftlich begleitete Modellprojekte zur kontrollierten Cannabis-Abgabe

Mehr als 30 Experten aus Politik, Wissenschaft, Medizin und Wirtschaft fordern in einem offenen Brief an den Deutschen Bundestag die Ermöglichung wissenschaftlich begleiteter Modellprojekte zur kontrollierten Abgabe von Cannabis. Die Unterzeichnenden betonen, dass eine faktenbasierte Regulierung notwendig ist, um Rechtssicherheit zu schaffen und gesundheitliche sowie wirtschaftliche Potenziale optimal zu nutzen.

Diskrepanz zwischen Gesetz und Praxis

Das Konsumcannabisgesetz (KCanG) hat den Konsum von Cannabis zu Genusszwecken legalisiert, doch der legale Erwerb bleibt auf Anbauvereinigungen beschränkt. Dies führt zu einer problematischen Situation: Während der Konsum erlaubt ist, bleibt der Zugang für viele Konsumierende weiterhin eingeschränkt. Diese Lücke fördert den illegalen Markt und untergräbt die angestrebte Regulierung. Die Unterzeichnenden fordern daher eine wissenschaftlich fundierte Prüfung verschiedener Abgabemodelle, um langfristig eine effektive und sozialverträgliche Lösung zu entwickeln.

Evidenzbasierte Forschung als Schlüssel

Die Initiatorinnen und Initiatoren des offenen Briefes plädieren für die Einrichtung regional begrenzter, wissenschaftlich begleiteter Modellprojekte. In diesen Projekten sollen unterschiedliche Abgabewege – etwa über Apotheken, lizenzierte Fachgeschäfte oder staatlich kontrollierte Verkaufsstellen – getestet und ihre Auswirkungen evaluiert werden. Wichtige Erkenntnisse könnten insbesondere in den Bereichen Jugendschutz, Prävention, Konsummuster sowie gesundheitliche und wirtschaftliche Effekte gewonnen werden. Ziel ist es, eine verlässliche Datengrundlage für zukünftige politische Entscheidungen zu schaffen.

Wirtschaftliche Chancen und gesellschaftlicher Nutzen

Neben den gesundheitlichen Aspekten bieten wissenschaftlich begleitete Modellprojekte auch erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Aktuell konsumieren in Deutschland rund 4,5 Millionen Erwachsene Cannabis zu Genusszwecken, wodurch jährlich etwa 4 Milliarden Euro in den Schwarzmarkt fließen. Eine kontrollierte, legale Abgabe könnte diesen Markt teilweise in regulierte Bahnen lenken, Steuereinnahmen generieren und neue Arbeitsplätze schaffen – sowohl in der Forschung als auch im legalen Handel. Diese Entwicklung könnte dazu beitragen, organisierte Kriminalität zurückzudrängen und Verbraucherinnen und Verbrauchern sicheren Zugang zu geprüften Produkten zu ermöglichen.

Städte, Wissenschaft und Wirtschaft sind bereit

Bereits mehrere Städte, darunter Frankfurt am Main, Hannover und mehrere Berliner Bezirke, haben konkrete Konzepte für Modellprojekte erarbeitet. Auch renommierte Forschungseinrichtungen, medizinische Expertinnen und Experten sowie Fachverbände stehen bereit, um wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zur kontrollierten Cannabis-Abgabe zu gewinnen. Diese Initiativen könnten Deutschland eine Vorreiterrolle in Europa sichern und als Vorbild für eine fortschrittliche, faktenbasierte Cannabispolitik dienen.

Appell an die Bundesregierung

Die Unterzeichnenden appellieren an die Bundesregierung und die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger im Bundestag, die Freiheit der Forschung gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes zu gewährleisten und wissenschaftlich begleitete Modellprojekte zu ermöglichen. Sie betonen, dass es nicht um ideologische Symbolpolitik geht, sondern um eine pragmatische, wissensbasierte Regulierung, die sowohl gesundheitliche als auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt.

„Eine rationale und wissenschaftlich fundierte Drogenpolitik ist essenziell, um Fehlentwicklungen zu vermeiden und nachhaltige Lösungen für die Gesellschaft zu schaffen“, heißt es in dem offenen Brief. Die Initiatoren fordern daher eine zügige Umsetzung dieser Modellprojekte, um auf Basis gesicherter Erkenntnisse eine langfristige und verantwortungsvolle Regulierung der Cannabis-Abgabe zu ermöglichen.

Liste der mehr als 30 Unterzeichnenden aus Politik und Recht, Wissenschaft und Medizin, Verbänden und Industrie: Arcaden Apotheke OHG, Branchenverband Cannabiswirtschaft e. V., Bundesarbeitsgemeinschaft Cannabis Anbauvereinigungen (BCAv), Cannabis Anbaugemeinschaft Hannover e.V., Cannabis Betriebsgenossenschaft Hannover e.G.i.G., Cannabis Socialclub Hannover e.V., Cansativa GmbH, Canymed GmbH, Cimander, Dr. med. Dipl.-Chem. Konrad F. Timander (Suchtmediziner Kompetenzzentrum für Cannabis-Medizin), Demecan GmbH, Deutsche Akademie für Ganzheitliche Schmerztherapie e. V., Deutscher Hanfverband, Dr. Cannabis Akademie, Enua Pharma GmbH, Four 20 Pharma GmbH, Prof. Dr. med. Sven Gottschling (Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Kinder- Hämatologie und Onkologie, Universitätsklinikum des Saarlandes, Dr. Cannabis Akademie, Deutsche Akademie für Ganzheitliche Schmerztherapie e. V.), Professor Dr. Justus Haucap (Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE)
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), LEAP – Law Enforcement against Prohibition Deutschland e.V., Müller-Vahl, Prof. Dr. Kirsten R. Müller-Vahl (Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie Medizinische Hochschule Hannover), Neue Richtervereinigung – Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten e.V., Niedersächsische Cannabis Anbaugemeinschaften NICA e.V., Kai-Friedrich Niermann (Rechtsanwalt), Dr. Thomas Peschel (Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Patrida Diamorphinbehandlung Berlin), Sanity Group GmbH, Prof. Dr. Henning Schmidt-Semisch (Fachbereich 11: Human- und Gesundheitswissenschaften Institut für Public Health und Pflegeforschung Universität Bremen), Steinmetz, Dr. Fabian Steinmetz (Regulatorischer Toxikologe), Prof. Dr. Heino Stöver (Sozialwissenschaftlicher Suchtforscher), TMG Media Group, Verband der Cannabis Versorgenden Apotheken e. V., Vigia AG/Cannavigia, Elke Voitl (Dezernentin für Soziales und Gesundheit der Stadt Frankfurt am Main), Georg Wurth (Sachverständiger).

Quelle: Deutscher Hanfverband
Bild: Elsa Olofsson/ unsplash