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CanG: Aufruf für eine zeitgemäße Cannabis-Telemedizin in Deutschland

Ein Bündnis aus Unternehmen, Apotheken und Experten, wie z. B. alephSana, Demecan, Cannamedical, Aurora, Sanity Group und Canify hat auf die Kritik auf die digitale Versorgung mit medizinischem Cannabis reagiert und mit einer Pressemitteilung Qualitätsstandards für die Telemedizin gefordert. Das Bündnis plädiert für eine faktenbasierte Debatte sowie eine stärkere Spezialisierung auf Cannabistherapien.

Seit dem 1. April 2024 ist medizinisches Cannabis in Deutschland nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft. Durch die Reform des Medizinal-Cannabis-Gesetzes (MedCanG) hat sich der Zugang zur Behandlung für Patienten und Ärzten erheblich vereinfacht. Besonders die Telemedizin spielt dabei eine zentrale Rolle: Sie ermöglicht einen niedrigschwelligen Zugang zur Therapie.

Laut Bündnis steht die digitale Versorgung in der Kritik. Patienten sollen stigmatisiert, Ärzten mangelnde Sorgfaltspflicht unterstellt werden und telemedizinische Anbieter sollen unter Generalverdacht geraten. Um eine sachliche Debatte zu fördern, setzen sich Experten für eine faktenbasierte Diskussion und verbindliche Qualitätsstandards in der Telemedizin ein. Hierfür hat das Bündnis neun Standpunkte formuliert.

Zentrale Standpunkte zur Telemedizin in der Cannabistherapie

  1. Unternehmen mit Sitz in Deutschland unterliegen der deutschen Rechtsprechung

    Einige telemedizinische Anbieter umgingen die deutsche Rechtsprechung, indem sie ihren Sitz ins Ausland verlagern, obwohl sie in Deutschland tätig sind. Die Politik sei gefordert, dieses Schlupfloch zu schließen. Unternehmen mit Sitz in Deutschland unterliegen bereits den nationalen Gesetzen. Über die Rechtmäßigkeit der Plattformen entscheiden allein die zuständigen Gerichte, nicht Kammern, Verbände oder Politiker.
  2. Telemedizin entlastet das Gesundheitssystem

    Die Digitalisierung der Cannabistherapie habe vielen Patienten einen sicheren Zugang ermöglicht und sie vor dem illegalen Markt geschützt. Zudem entlaste die Telemedizin das Gesundheitssystem finanziell und organisatorisch. Für geeignete Indikationen solle sie daher als legale, leicht zugängliche Option bestehen bleiben.
  3. Online-Checklisten sind ein wichtiges Diagnoseinstrument

    Online-Checklisten böten gegenüber dem persönlichen Arztgespräch mehrere Vorteile: Sie ermöglichten eine digitale Speicherung von Daten, eine strukturierte Auswertung von Therapieverläufen und stellten sicher, dass Patienten alle notwendigen Angaben machen. Während das klassische Arztgespräch oft idealisiert werde, seien lange Wartezeiten und kurze Konsultationen Realität. Zudem erleichtere die digitale Dokumentation die wissenschaftliche Forschung und verbessere die Evidenzlage durch Real-World-Data-Analysen.
  4. Cannabis ist ein bewährtes Arzneimittel
    
Ein erheblicher Anteil der in Deutschland verordneten Medikamente, insbesondere Schlaf- und Schmerzmittel, berge ein Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotenzial. Obwohl Millionen Menschen von problematischem Medikamentenkonsum betroffen sein könnten, gäbe es dazu keine belastbaren Studien. Während dieses Problem oft unbeachtet bliebe, würden Cannabispatienten ohne Belege stigmatisiert und als „Hobby-Kiffer“ diskriminiert – trotz der langen medizinischen Nutzung von Cannabis.
  5. Die Debatte benötigt mehr Rationalität

    Die Vorwürfe bezüglich des Missbrauchs ein Cannabis-Therapien basierten auf einem vermeintlich hohen Anteil junger Männer, was jedoch nicht als beweis für einen Kausalzusammenhang gewertet werden könne. Solche demographischen Verzerrungen seien in vielen medizinischen Therapien üblich und spiegelten nicht notwendigerweise die Gesamtbevölkerung wieder. Oft würden Vorurteile durch persönliche Empfindungen verstärkt. Es wird ein datenbasierter Dialog und Feedback von Patienten gefordert.
  6. Spezialisierung auf Cannabis ist erforderlich

    Die Diskussion über medizinisches Cannabis zeige, dass es nach wie vor Herausforderungen gibt, insbesondere in Bezug auf die Verfügbarkeit von Ärzten mit entsprechender Expertise. Trotz der Legalisierung bleibe das Thema mit Stigmatisierung und Tabuisierung behaftet, was den Zugang zu medizinischem Cannabis für Patienten erschwere. Es bestehe ein dringender Bedarf an spezialisierten Anlaufstellen und einem offenen Dialog zwischen Patienten und Ärzten.
  7. Medizinisches Cannabis kann eine sinnvolle Therapie-Alternative sein

    Medizinisches Cannabis könne eine sinnvolle Therapiealternative für Menschen mit Schlafstörungen und chronischen Schmerzen sein. In Deutschland leiden etwa sechs Millionen Menschen unter Schlafstörungen und viele greifen auf Schlafmittel zurück die jedoch nur kurzzeitig eingenommen werden sollten. Für die Behandlung von chronischen Schmerzen könne medizinisches Cannabis eine weniger nebenwirkungsreiche Option darstellen. Zudem zeigten verschiedene Studien, dass Cannabis bei bestimmten Arten von Schmerzen, wie Nervenschmerzen, wirksam sein kann. Daher könne die digitale Bereitstellung von medizinischem Cannabis eine wertvolle und zugängliche Therapieoption für Betroffene darstellen.
  8. Keine Notwendigkeit für eine Rückstufung als Betäubungsmittel

    Angesichts der positiven Therapieerfolge und geringeren Nebenwirkungen im Vergleich zu vielen medikamentösen Alternativen sowie einer gestiegenen gesellschaftlichen Akzeptanz und Patientenzahlen gäbe es aus gesundheitlicher Sicht keinen Grund, medizinisches Cannabis im BtmG herabzustufen. Vielmehr sollte der Zugang zu ärztlicher Unterstützung für Betroffene verbessert werden. Die Reklassifizierung von Cannabis habe den Aufwand und die Ressourcen für die Therapie reduziert, was zu Kosteneinsparungen für Patienten geführt und eine Demokratisierung der Therapie ermöglicht habe.
  9. Qualitätsstandards in der Telemedizin müssen gestärkt werden

    Die Debatte über Missbrauch von Medizinalcannabis lenke von den wesentlichen Themen ab. Telemedizinische Lösungen für Medizinalcannabis sind noch relativ neu und wurden erstmals 2020 angeboten. Die Beteiligten Akteuere haben wichtige Erfahrungen gesammelt. Zentrale Aspekte seien die Zuverlässigkeit der Fragebögen, Datensicherheit, Dokumentation der Therapieverläufe und die Verifizierung von eRezepten. Es sei wichtig, einen Dialog innerhalb des Gesundheitswesens sowie mit Politik und Regulierer zu führen, um Mindeststandards zu definieren.

Quelle: bfctd.de
Bild: National Cancer Institute/ unsplash