Der BGH hat im Verfahren 5 StR 490/21 die Verurteilung zweier gewerblicher Händler von CBD-Blüten unter anderem zu mehrjährigen Haftstrafen bestätigt. Der Beschluss erging bereits am 23.06.2022, wurde jedoch erst am 12.10.2022 veröffentlicht. Nun drohen hunderte, möglicherweise sogar tausende, weitere Verurteilungen und ein Verkehrsverbot in Bezug auf zahlreiche am Markt vertretene Hanfprodukte wird bestätigt.
“Somit werden Arbeitsplätze in einer aufstrebenden Branche vernichtet und steuerzahlende Unternehmer, die niemandem geschadet haben, unnötig auf Steuerzahlerkosten inhaftiert. Hier besteht dringender Handlungsbedarf für die Politik!” macht Jürgen Neumeyer, Geschäftsführer des Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) deutlich.
Bei den “CBD-Blüten” handelt es sich um Cannabisblüten, die aufgrund des sehr niedrigen THC-Gehalts (unter 0,2 %, Genussmittelcannabis hat im Schnitt ca. 13,7 %) selbst beim Rauchen großer Mengen keinen Rausch herbeiführen können. Stattdessen beinhalten diese einen höheren Gehalt des nicht berauschenden Wirkstoffs CBD. “Der 6. Strafsenat des BGH hat nun entschieden, dass CBD-Blüten, solange sie nicht entharzt wurden beziehungsweise nur Spuren von THC in verschwindend geringen Mengen beinhalten, Betäubungsmittel sind, da bei diesen Erzeugnissen ein Missbrauch zu Rauschzwecken nicht ausgeschlossen sei”, so der auf die Branche spezialisierte Rechtsanwalt Dr. Ferdinand Weis.
BvCW bewertet Rauschgefahr bei CBD-Blüten als praktisch ausgeschlossen
Der BGH gehe davon aus, dass mit unverarbeiteten CBD-Blüten insbesondere ein berauschendes Gebäck hergestellt werden könne und die Rauschgefahr auch nicht nur auf “rein hypothetischen Erwägungen” beruhe. Der BvCW hatte hingegen bereits im Februar umfassend dokumentiert, dass die Annahme einer reellen Rauschgefahr “lebensfremd, unwirtschaftlich und praktisch ausgeschlossen” ist. Auch die Staatsanwaltschaft Heilbronn hatte im Fall “Lidl” zuletzt in ihrem Einstellungsbescheid vom 19.08.2022 dokumentiert, dass in Bezug auf Nutzhanferzeugnisse nur ein theoretisches Missbrauchspotenzial bestehe, weil ein Missbrauch praktisch nahezu ausgeschlossen sei. Die vom BGH verhängten Strafen sind so hoch wie beim Handel hochprozentiger illegaler Rauschmittel.
“Angesichts der Tatsache, dass Hanferzeugnisse praktisch immer Restgehalte von THC enthalten, der Bundesgerichtshof in seiner aktuellen Entscheidung aber keinen nominalen Grenzwert benennt, ab wann von einer verschwindend geringen Menge an THC im Spurenbereich zur Meidung des Betäubungsmittelstatus auszugehen ist, hat es der Bundesgerichtshof versäumt, wenigstens eine klare Linie hinsichtlich der verbleibenden Vermarktungsmöglichkeiten zu ziehen.” sagt Rechtsanwalt Dr. Ferdinand Weis.
Cannabiswirtschaft fordert Umsetzung von Expertenempfehlung
Dabei liege die Lösung längst auf dem Tisch, sagt der BvCW. Der Sachverständigenausschuss für Betäubungsmittel nach § 1 Abs. 2 BtMG und Neue-psychoaktive-Stoffe nach § 7 NpSG des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat bereits am 15.03.2021 Änderungen empfohlen. “Diese Beschlussempfehlung muss nun dringend von der Bundesregierung umgesetzt werden. Ein Abwarten auf die vollständige Cannabisregulierung könnte viele Existenzen ruinieren, denn Tausende müssen nun Tag für Tag mit Razzien, Betriebsschließungen, Strafverfahren und Arbeitsplatzverlusten rechnen.” so Jürgen Neumeyer. Der BvCW stellt eine Zunahme von Strafverfolgungsmaßnahmen fest und appelliert daher an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, endlich die Expertenempfehlung aus dem ihm unterstellten BfArM umzusetzen.
Alleine in Deutschland bauen 889 Landwirtschaftsbetriebe Nutzhanf an, hinzu kommen zahlreiche weiterverarbeitende Betriebe, Händler und Dienstleister. Bereits in der letzten Legislaturperiode haben alle Parteien außer der AfD die Notwendigkeit von Reformen bestätigt, diese jedoch verschoben. Kürzlich kam es sogar zur Beschlagnahme eines kompletten Nutzhanffeldes. Der BvCW fordert daher die sofortige Herausnahme von Nutzhanf aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG).
Quelle: BvCW
Bild: Gerd Altmann