
Patienten mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) haben auch nach den neuen gesetzlichen Regelungen keinen generellen Anspruch auf eine Behandlung mit medizinischem Cannabis. Das entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in einem aktuellen Urteil.
Zwar sei ADHS unbestritten eine schwerwiegende Erkrankung, so das Gericht. Für eine Genehmigung der Cannabistherapie müsse jedoch eine detaillierte, medizinisch begründete Einschätzung des behandelnden Arztes vorliegen, die den strengen Vorgaben der Rechtsprechung entspricht. Solange eine solche Einschätzung fehle, könne der mögliche Nutzen einer Cannabisbehandlung offenbleiben.
In dem verhandelten Fall hatte ein 44-jähriger Patient mit ADHS im Erwachsenenalter, bipolarer Störung sowie weiteren psychiatrischen Erkrankungen und einer Suchtvorgeschichte die Versorgung mit Cannabisblüten beantragt. Sein Arzt hatte die Notwendigkeit der Therapie überwiegend mit allgemeinen Angaben und ergänzenden Attesten begründet. Nach Ansicht des LSG fehlte jedoch eine präzise Auseinandersetzung mit bisherigen Therapieversuchen, deren Nebenwirkungen sowie eine Abwägung der Risiken von Cannabis insbesondere unter Berücksichtigung der Suchtanamnese des Patienten.
Standardtherapien vorrangig zu berücksichtigen
Auch das im April 2024 in Kraft getretene neue Cannabisgesetz (CanG) ändere daran nichts, betonte das Gericht. Obwohl Cannabis nun nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft wird, blieben die strengen Vorgaben für eine Genehmigung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung bestehen. Insbesondere gelte weiterhin, dass allgemein anerkannte Standardtherapien vorrangig zu berücksichtigen seien.
Die S3-Leitlinie sowie das zentrale ADHS-Netz bestätigen zudem, dass der Einsatz von Cannabis in der ADHS-Behandlung nicht empfohlen wird. Ein systematischer Review aus dem Jahr 2019 sah „eindeutig“ mehr Risiken als Nutzen.
Das Urteil unterstreicht, dass für den Anspruch auf eine Cannabistherapie weiterhin hohe Hürden gelten und eine sorgfältige ärztliche Begründung erforderlich ist, die insbesondere eine differenzierte Bewertung aller Therapieoptionen und Risiken beinhaltet.
Quelle: apotheke-adhoc.de
Bild: tingey injury law/ unsplash