Grenzen und Möglichkeiten
Mit der Verabschiedung des Konsumcannabisgesetzes eröffneten sich für Anbauvereinigungen und ihre Betreibergesellschaften unternehmerische Möglichkeiten, deren Umfang aber noch nicht endgültig festgelegt ist. Derzeit stehen mögliche Gesetzesänderungen im Raum, die unternehmerisches Handeln weiter einschränken würden. Entsprechend stellt sich die Frage, wie Erfolg im Cannabis-Business realisierbar ist. Dafür ist es grundlegend, die Rechtslage einzuschätzen und Spielräume zu erkennen. Von Lito Michael Schulte
“Erfolg ist, was folgt, wenn man der Berufung folgt”, sagen die einen, “Wer am anpassungsfähigsten ist, überlebt am längsten”, sagen die anderen. Für das Cannabis-Business gilt wohl beides.
Schließlich ziehen sich die Pläne der Bundesregierung seit November 2021 bis heute. Damals verkündete die Bundesregierung per Koalitionsvertrag, die kontrollierte Abgabe von Cannabis in lizensierten Fachgeschäften einzuführen. Es dauerte jedoch bis Ende März 2024, bis das als Einspruchsgesetz zu qualifizierende Konsumcannabisgesetz durch den Bundesrat ging und klar wurde, dass Gründer und Gründerinnen von Anbauvereinigungen und auf „Tätigkeiten“ spezialisierte Betreibergesellschaften tatsächlich und im Rahmen der ersten Säule (Teillegalisierung) von zwei Säulen (Legalisierung) unternehmerisch tätig werden dürfen.
Immerhin nahm sich der Gesetzgeber der Rechtsform des eingetragenen Vereines in Gestalt von Anbauvereinigungen an. Anbauvereinigungen sind eingetragene Vereine, deren satzungsmäßiger Zweck ausschließlich darin besteht, den gemeinschaftlichen, nichtgewerblichen Eigenanbau und die Weitergabe von Cannabis zum Eigenkonsum durch und an Mitglieder, die Weitergabe von Vermehrungsmaterial sowie die Information von Mitgliedern über cannabisspezifische Suchtprävention und -beratung zu verfolgen, § 1 Nr. 13 lit. a) KCanG. Diese Entwicklungen sind primär einschränkender Natur, lassen jedoch Spielräume für unternehmerische Betätigungsfelder. Hintergrund ist hier das Europarecht, das den “persönlichen Konsum” gestattet, Art. 2 Abs. 2 EU Rahmenbeschluss 2004/757/JI.
Fahren auf Sicht
Doch kaum wurde das Konsumcannabisgesetz verabschiedet, stehen erste Einschränkungen an. So sollen unter anderem vollumfängliche Dienstleistungspakete aus der Hand eines gewerblichen Anbieters für mehrere Anbauvereinigungen nach jüngsten Erkenntnissen systematisch eingeschränkt werden. Es bestehen verfassungsrechtliche Bedenken, dass diese Einschränkungen einen unzulässigen Eingriff in die Privatautonomie der Anbauvereinigungen, Art. 9 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 1 GG bedeuten und gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art 3 Abs. 1 GG verstoßen.
Dieser Beitrag befasst sich mit den oben skizzierten und unten weiter ausgeführten Einschränkungen auf Basis des zum Zeitpunkt der Erstellung (Anfang Mai) drohenden Änderungsgesetzes. Der Hintergrund besteht darin, dass das Konsumcannabisgesetz („KCanG“), welches den gemeinschaftlichen und privaten Eigenanbau von Cannabis regelt, noch durch ein Änderungsgesetz nachteilig verändert werden könnte. Die maßgeblichen Einschränkungen haben sich bereits durch eine Protokollerklärung abgezeichnet, als das Gesetz durch den Bundesrat ging.
Lizensierte Fachgeschäfte
Es gibt allerdings auch Raum für Hoffnung: Jüngsten Anzeichen zufolge wurde Ende Mai 2024 mehreren Verbänden ein Entwurf für eine „Konsumcannabis-Wissenschafts-Zuständigkeitsverordnung (KCanWV)“ zur Stellungnahme zugesandt. Diese Verordnung deutet an, dass lizensierte Fachgeschäfte auch als Modellprojekte im Rahmen des bestehenden CanG – ohne Zustimmung des Bundesrates und/oder Verabschiedung eines weiteren Gesetztes – realisiert werden können. Dies wäre eine große Überraschung, zumal Branchenkenner schon befürchteten, die Pläne zu Säule II seien ins Stocken geraten.
Positiv an der KCanWV stimmt auch die Tatsache, dass das Bundesamt für Ernährung und Landwirtschaft ermächtigt wird, eine für die lizensierten Fachgeschäfte zuständige Bundesoberbehörde zu benennen, die den Umgang mit Cannabis zu wissenschaftlichen Zwecken ohne medizinischen Bezug genehmigt und überwacht. Die Konsumcannabis-Wissenschafts-Zuständigkeitsverordnung legt hierfür die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung fest, die dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) nachgeordnet ist. Diese Behörde wäre dann befugt, Modellregionen für den freien Verkauf von Cannabis zu genehmigen. Bei dieser hat auch der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland, Cem Özdemir, Durchgriffsrechte, sodass mit einer liberalen Handhabung gerechnet werden könnte. Dies sind positive Zeichen für Anbauvereinigungen, die sich laut Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) zunehmend professionalisieren sollen dürfen.
Einschränkungen durch drohendes Änderungsgesetz?
Im Zuge europarechtlicher Vorgaben und des politisch aufgeladenen Gesetzgebungsprozesses wurde jedoch immer wieder betont, den nicht-gewerblichen Anbaucharakter der Anbauvereinigungen zum Zwecke des Eigenkonsums sicherzustellen. Leider zeichnet sich seit Mitte April 2024 ab, dass weitreichende Implikationen durch ein noch nicht offiziell veröffentlichtes Änderungsgesetz drohen. Mit weitreichenden Folgen für den Business Case „Cannabis Club“:
Einschränkungen enthält der Entwurf des 1. Änderungsgesetzes zum KCanG, der Mitte April 2024 kursierte und Konkretisierungen enthielt, die die Bundesregierung bereits in einer Protokollerklärung bei der Beratung des Cannabisgesetzes in der 1042. Sitzung des Bundesrats Ende März 2024 äußerte. Maßgeblich sollen die gesetzgeberischen Zugeständnisse auf Drängen von zwei Bundesländern erfolgt sein, die sich durch besonders große Anbauprojekte bzw. deren Besorgnis über deren Größe hervortaten. So trage der 1. Entwurf des Änderungsgesetzes den Bedenken und Wünschen der Länder Rechnung, die im Wege des Gesetzgebungsprozesses vorgetragen wurden.
Nach § 12 Abs. 3 KCanG-E könne die zuständige Behörde die Erlaubnis nunmehr versagen, wenn sich Anbauflächen oder Gewächshäuser der Anbauvereinigung in einem “baulichen Verbund” mit oder in “unmittelbarer räumlicher Nähe” zu Anbauflächen oder Gewächshäusern anderer Anbauvereinigungen befänden. Die vorgenannten Änderungen zeigen deutlich auf, dass man in jedem Fall Betreibern „kommerzieller Plantagen mit industriellen Maßstäben“ den Kampf ansagt.
Zusätzlich wurden sodann die Anforderungen an das „befriedete Besitztum“ einer Anbauvereinigung verschärft. Um den gemäß den europarechtlichen Vorgaben erforderlichen nicht-gewerblichen Anbaucharakter der Anbauvereinigungen zum Zwecke des Eigenkonsums sicherzustellen, wurde zusätzlich klargestellt, dass die Erlaubnis für eine Anbauvereinigung zu versagen sei, wenn sich das befriedete Besitztum der Anbauvereinigung innerhalb des befriedeten Besitztums anderer Anbauvereinigungen befindet. Zudem könnte sich der Gesetzgeber gegen den baulichen Verbund von Anbauvereinigungen wenden, indem den für die Erlaubnis von Anbauvereinigungen zuständigen Behörden bei der Versagung der Erlaubnis, ein Ermessenspielraum im Umgang mit Großanbauflächen für Cannabis eröffnet wird.
Zudem droht der Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen bei den angedachte Kontrollen der Anbauvereinigungen zu verschärfen: Überwachungsbehörden haben zwar eine Kontrollpflicht, die als Soll-Regelung ausgestaltet ist. Den Ländern möge jedoch ein flexiblerer und risikobasierter Handlungsspielraum bei der Umsetzung des Gesetzes eröffnet werden. Daher wurden die „jährlichen“ Kontrollen auf „regelmäßige“ Kontrollen heraufgestuft.
Von Säule I zu Säule II
„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“. Trotz aller Hürden stimmen die Erfolgsaussichten andernorts optimistisch. 50% aller Bezugsquellen von Cannabis beim Schweizer Pilotprojekt “Züri Can” sind neben den Apotheken, dortige Cannabis Clubs. Hierüber informierte sich auch das Bündnis 90/Die Grünen bei einem Fachgespräch „Grün voraus: Cannabis Modellprojekte in Deutschland“ im Oktober 2023. Als Mitglied der Ampel-Fraktion werden daher entscheidende Impulse gesetzt. Folglich ist also nicht auszuschließen, dass sich Pioniergeist in Säule I, wie in der Schweiz, auch hierzulande für Säule II zu lohnen scheint. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass gerade die Infrastruktur von Clubs genutzt werden könnte, um Teil der wissenschaftlichen Modellprojekte zu sein. Damit könnten auch die Clubs und/oder deren Betreibergesellschaften erstmalig kommerzielle Gewinne durch den Handel mit Cannabis erwirtschaften.
Bis zum heutigen Datum stellt sich jedoch nach wie vor die Frage nach dem Fokus. Säule I mit sog. Anbauvereinigungen zielt auf eingetragene Vereine ab, deren ausschließlicher (Vereins-)Zweck der gemeinschaftliche nichtgewerbliche Eigenanbau und die Weitergabe von Cannabis zum Eigenkonsum durch und an Mitglieder, die Weitergabe von Vermehrungsmaterial sowie die Information von Mitgliedern über cannabisspezifische Suchtprävention und Suchtberatung ist.
Säule II hingegen basiert nicht auf dem Konsumcannabisgesetz (KCanG), sondern der sog. Konsumcannabis-Wissenschafts-Zuständigkeitsverordnung (KCanWV), die als zuständige Behörde das Bundesamt für Ernährung und Landwirtschaft vorsieht und damit dieselbe Behörde, gegenüber der auch der Nutzhanfanbau angezeigt wird. Die Konsumcannabis-Wissenschafts- Zuständigkeitsverordnung hält für lizensierte Fachgeschäfte eine maßgebliche (Forschungs-)Klausel bereit, die weiter geht und Handel zu wissenschaftlichen Zwecken vorsieht.
Die Fachgeschäfte eröffnende (Forschungs-)Klausel erlaubt einen weiteren kommerziellen Umgang mit Cannabis. Die wissenschaftliche Basis erlaubt es, abweichend vom Selbstkostendeckungsprinzip in den Anbauvereinigungen, bilanzielle Gewinne mit gehandeltem Cannabis auszuweisen. So besagt die Klausel: „Wer Cannabis zu wissenschaftlichen Zwecken besitzen, anbauen, herstellen, einführen, ausführen, erwerben, entgegennehmen, abgeben, weitergeben, Cannabinoide aus der Cannabispflanze extrahieren oder mit Cannabis zu wissenschaftlichen Zwecken Handel treiben will, bedarf einer Erlaubnis. […] Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft [lege] durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates die für die Erteilung der Erlaubnis nach Satz 1 und die für die Überwachung sowie für die Durchführung der in den Sätzen 3 bis 5 genannten Regelungen zuständige Bundesbehörde fest.“
Survival of the Fittest – eine Frage der Anpassung
Trotz aller jüngsten Verschärfungen, gibt es aktuelle Entwicklungen bei den sog. Anbauvereinigungen, die zu Cannabis geneigten Unternehmerinnen und Unternehmern einige Monetarisierungsspielräume eröffnen, insbesondere mit der/den eigenen und mit jeweils einer „Tätigkeit“ zu beauftragenden Gesellschaft(en).
Eine einschneidende Änderung könnte diesbezüglich in dem „Verbot der Doppeltätigkeit“ liegen. Dieses Verbot gilt für all jene Anbauvereinigungen, die auf gewerbliche Anbieter zurückgreifen, um den Anbau zu realisieren. Anbauvereinigungen könnte es nach der in § 17 Abs. 1, S. 4 KCanG-E angedachten Regelung nicht gestattet sein, denselben gewerblichen Anbieter mit mehreren Dienstleistungen zu beauftragen, die nicht unmittelbar mit dem Anbau zusammenhängen. Unabhängig von verfassungsrechtlichen Bedenken und einem Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz müssten Anbauvereinigungen hier kreativ werden. Nach dieser Vorschrift „[…] dürfen [Anbauvereinigungen] denselben sonstigen entgeltlich Beschäftigten oder dasselbe Nichtmitglied nicht mit mehr als einer Art von Tätigkeit [die nicht unmittelbar mit dem gemeinschaftlichen Eigenanbau oder der Weitergabe von Cannabis verbunden ist] beauftragen.“
Diese Regelung zielt darauf ab, den nicht-gewerblichen Charakter der Anbauvereinigungen zu bewahren und sicherzustellen, dass diese nur für den Eigenkonsum ihrer Mitglieder und nicht für kommerzielle Zwecke produzieren. Diese Einschränkung wurde als Reaktion auf europarechtliche Vorgaben eingeführt, um die Konformität des deutschen Konsumcannabisgesetzes zu gewährleisten.
Die zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung bekannt gewordene jedoch nicht offiziell veröffentlichte Gesetzesbegründung führt hier zur Definition einer „Tätigkeit“ eine Gesamtheit von Handlungen an, die den gleichen Zweck verfolgen, ihrem Wesen nach gleich zu beurteilen sind und einer (Gesamt-)Tätigkeit zugeschrieben werden können. Die Art der Tätigkeit müsse demnach eine fachlich einheitliche, abgrenzbare Gesamtheit von Leistungen darstellen (bspw. Objektschutz für das befriedete Besitztum).
Mit dieser Regelung solle gewerblichen Geschäftsmodellen Einhalt geboten werden, die auf Großanbauflächen mit Paketleistungen für Anbauvereinigungen basieren. Mit der Regelung solle der nichtgewerbliche Eigenanbaucharakter der Anbauvereinigungen für den Eigenkonsum der Mitglieder gewährleistet werden, um die Konformität des Konsumcannabisgesetzes mit europarechtlichen Vorgaben zu gewährleisten.
Hierbei stellt sich die Frage, ob die Bereitstellung geeigneter Anbauanlagen unter das Verbot des zu erwartenden § 17 Abs. 1 S. 4 KCanG-E fällt. Nach dieser den Business Case Anbauvereinigung einschränkenden Vorschrift, wonach „[diese] denselben sonstigen entgeltlich Beschäftigten oder dasselbe Nichtmitglied nicht mit mehr als einer Art von Tätigkeit nach Satz 3 beauftragen [dürfen]“, könnte die Vermietung der Flächen und Verpachtung des Anbau-Equipments nicht mehr nur eine sondern zwei Zwecke und damit zwei Tätigkeiten im Sinne des § 17 Abs. 1 S. 4 KCanG sein. Stellt man auf den Zweck ab, eine für die Produktion geeignete Anlage bereitzustellen, würde hingegen nur eine Tätigkeit vorliegen. Gefundenes Futter für die Rechtsprechung. Andererseits sind in der Gastronomie die Verpachtung der verschleißintensiven Komponenten einer Gaststätte wie Mobiliar und Fläche gang und gäbe. Dennoch ist es problematisch, wenn selbst die Vermietung wegen exorbitant hoher Mieten der Betriebsanlage einem Drittvergleich nicht standhält, weil der zivilrechtliche Tatbestand des Wuchers erreicht werden würde, verlangte man eine vergleichsweise sehr hohe Miete für die Bereitstellung der Anlage, die ein Dritter nicht eingegangen wäre.
Abhilfe könnten daher weiteren Dienstleistungen wie z.B. die Beratung der eigenen Anbauvereinigung sein. Mittels einer hierfür errichteten Beratungsgesellschaft, könnte die Anbauvereinigung bei der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung begleitet werden. Tatsächlich sinnvoll und für die Weiterentwicklung hilfreich, könnten so standardisierte Produktionsprozesse (SOP’s) erarbeitet werden, die die Branche weiter professionalisieren. Diese Variante eignete sich ebenfalls, um Gelder aus den Mitgliedsbeiträgen zu ziehen und um die Anbauvereinigung zu monetarisieren. Schließlich bestünde der Vorteil darin, dass sich Beratungsleistungen in einer neuen Branche den bekannten Variablen entzögen und im Vergleich zu Miete oder Pacht der Tatbestand des Wuchers bei Beratungsleistungen weniger leicht zu prüfen wäre, da es an einem Drittvergleich in einer nie da gewesenen Branche mangelt.
Ferner stellt die Gesetzesbegründung auf Vertragspartner ab, sodass eine Vielzahl an Tätigkeiten durch weitere Gesellschaften abgewickelt werden könnte, oder durch natürliche und im Kollektiv agierende Partner. Die Facetten sind zahlreich.
Pioniergeist ist gefragt
Schließlich lässt sich festhalten, dass den Gründerinnen von Anbauvereinigungen viele Möglichkeiten offenstehen, die einerseits zwar mit Unwägbarkeiten verbunden sind, andererseits jedoch großartige Chancen bieten. Wer sich für anpassungsfähig genug hält und agil ist, hat jetzt die Chance, Erster in einer jungen Branche zu sein, die gerade erst im Entstehen ist und viele spannende Möglichkeiten bietet, die eigene Marktpositionierung auszubauen.
Bild: escapejaja/envato.com