Das A und O der Kostenersparnis
Die Cannabisindustrie steht vor einzigartigen Herausforderungen, insbesondere bei der Planung von Produktionsanlagen. Eine strukturierte Umsetzung kann Sicherheit und Kontinuität der Produktion gewährleisten. Die gute Planung einer Cannabis-Produktionsanlage spart mehr als 35 % der Gesamt- und Betriebskosten. In diesem Artikel werden die Schlüsselfaktoren einer effektiven Planung und deren Auswirkungen auf die Rentabilität und Qualität der Produktion beleuchtet. Von Marc Montandon
Es wird immer wieder festgestellt, dass die Cannabisbranche mit keiner anderen zu vergleichen ist. Stimmt das wirklich? Oder liegt es mehr daran, dass die Emotionen stärker sind als die Vernunft? Was sind die Gründe für das überproportionale Scheitern in unserer Branche? Nach über 20 Jahren in der Cannabisindustrie konnten wir einige Fragen beantworten und durften einiges miterleben, das Erstaunliches zutage bringt.
Struktur bringt Sicherheit
Wie wollen wir in ein Thema einsteigen, welches im Grunde keinen klaren Anfang hat? Cannabis gibt es seit Menschengedenken. Die Vielfalt der Pflanze ist allseits bekannt. Die Berg- und Talfahrt über Zeit und Länder ist beispiellos. Somit bringt die Pflanze an sich schon keine solide Basis mit sich, um eine klare Struktur aufzubauen.
„Me-too-Produkte“
Unter diesem Ausdruck versteht man grundsätzlich ein Nachahmerprodukt, jedoch auch ein Produkt, welches einfach und ohne große Kenntnis selbst hergestellt und/oder vertrieben werden kann. Für das Gegenteil stehen beispielsweise die Autoproduktion und andere komplexe Werke, welche mit hohen Planungsaufwänden, Finanzierungen und Weitsicht rentabel umgesetzt werden müssen. Wo siedelt sich Cannabis an? Richtig, auf Cannabis trifft beides zu. Cannabis kann draußen auf dem Feld wachsen oder in High-Tech-Räumen kontrolliert angebaut werden. Somit stellt sich die Frage: Warum benötigt es überhaupt solche komplexen Anlagen? Die Antwort ist vielschichtig. Grundsätzlich stellt die Produktion unter künstlichem Licht einen hohen Energieverbrauch dar, jedoch steigert es die Produktionssicherheit und somit die Kontinuität, das Produkt dem Kunden auch liefern zu können. Schließlich hat sich der Konsument über die Zeit an eine bestimmte Qualität sowie Verfügbarkeit gewöhnt und möchte dies auch in den kommenden Jahren beibehalten. Daher wird sich der Indoor-Cannabisanbau auch für Anbauvereine etablieren. Jetzt gilt es nur noch herauszufinden, ob diese Form des Cannabisanbaus noch immer ein „me-too-Produkt“ bleibt oder eine Fabrik dazu benötigt wird.
„Wissen ist, zu wissen, wo das Wissen zu finden ist“
Und da fangen die Probleme an. Wer weiß was und wer kennt wen, um das Wissen dafür zu erlangen? Und welche Kriterien belegen dessen Fähigkeit? Wenn man sich Wissen in den vergangenen zehn Jahren in der Cannabisbranche angeeignet hat, dann hauptsächlich über das Optimieren vom Wachstum und wie man in diesem Prozess unentdeckt bleibt, aber selten bis nie hat man sich mit baulichen Vorschriften und Gesetzen oder Firmenführung auseinandergesetzt. Somit möchte dieser Artikel den Fokus auf Strukturen und Abläufe richten, welche heute noch zu wenig beachtet werden, da die Emotion „wir dürfen jetzt“ das Rationale „so muss es gemacht werden“ zurzeit überschattet.
Jede Struktur braucht ein solides Fundament
Es hat sich gezeigt, dass ein sehr großer Anteil der Anbauvereinigungen ihr Augenmerk mehr auf die Geschwindigkeit, anstatt auf die Planung legt, was im Umkehrschluss Probleme verursachen kann.
Denn neben der Gründung eines Vereins und dessen Struktur braucht auch die Planung von Cannabisanlagen enorm viel Wissen auf sehr vielen Ebenen, welche vor dem Auf- und Anbau zum Tragen kommen. Diese wären unter anderem:
Umnutzungsantrag
Die Umnutzung beschreibt eine veränderte Nutzungsart von Immobilien. Eine Umnutzung wird häufig für leerstehende Gebäude getroffen, beispielsweise wenn ein Industriegelände zum Kulturgebäude umgestaltet wird. Jede Änderung der Nutzungsart muss beim zuständigen Bauamt beantragt werden.
Baueingabe
Bauliche Veränderungen am Gebäude müssen durch die Behörden bewilligt werden.
Immissionsschutz-Gesetze
Immissionsschutz bezeichnet Maßnahmen zum Schutz von Menschen und Umwelt vor schädlichen Umwelteinwirkungen wie Gerüchen, Lärm, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und Schadstoffen.
Arbeitnehmerschutzgesetze
Der Arbeitnehmerschutz soll die Sicherheit und die Gesundheit von Arbeitnehmern gewährleisten. Betriebe müssen Arbeitsplätze überprüfen und für die Einhaltung der Vorschriften sorgen. Je nach Größe des Unternehmens sind Betriebe verpflichtet, Verantwortliche für Erste-Hilfe, Brandschutz und Sicherheit zu ernennen. Bei Anlagen mit CO2-Begasung kommen noch weitere Gesetze dazu.
Brandschutzgesetz
Der vorbeugende Brandschutz wird in drei Kategorien eingeteilt: den baulichen Brandschutz, den organisatorischen Brandschutz und den anlagentechnischen Brandschutz.
Energienachweis
Der Nachweis muss erbracht werden, wenn ein beheiztes Gebäude oder eine haustechnische Anlage erstellt oder geändert wird. Also wenn beispielsweise Bauteile wie Außenwände, Dächer, Fenster oder haustechnische Anlagen wie Heizung, Warmwasseraufbereitung, Klimaanlagen, Lüftungen oder Kühlräume betroffen sind.
Dies sind einige, aber nicht alle Gesetze und Regeln, welche bei der Planung einer Cannabisanlage beachtet werden müssen. Doch schon diese Aufzählung macht deutlich, wie komplex ein solches Projekt ist.
Professionelle Planung halbiert Kosten und sichert effiziente Umsetzung
Natürlich sagen heute alle Vereine, dass sie planen, aber kann man das überhaupt? Was gibt es für Grundlagen und woher bekommt man die Informationen? Heute arbeiten die meisten mit dem Wissen, welches sie sich selbst erarbeitet haben und greifen auf Produkte zurück, welche in Growshops und im Internet „spezifisch“ für unsere Branche bestimmt sind. Aber stimmt das überhaupt? Oder anders gefragt, was bedeutet spezifisch in dem Fall? Sind die Geräte konform gegenüber der EU-CE-Konformitätsrichtlinien oder einfach für die Selbstmontage? Elektroinstallateur und Elektroplaner, Montage- und Baufirma, Installateur von Klima und Lüftung – das waren in den vergangenen Jahrzehnten ein und dieselbe Person. Der Cannabisanbau-Markt scheint alt, da es ihn schon seit Jahrzehnten gibt und praktiziert wird. Neu ist aber, dass das reguläre Gesetz im Bauwesen jetzt auch mitreden darf. Für alles gibt es Vorschriften. Das Energiegesetz verlangt in der Lüftung die Wärmerückgewinnung bei der Abluft, spart aber dem Betreiber bei solchen Anlagen mehrere zehntausend Euro an Betriebskosten im Jahr. Früher musste man das nicht beachten, da die Anlagen nicht offiziell angemeldet waren und der Netto-Gewinn trotz ineffizienter Systeme überdurchschnittlich hoch war. Doch jetzt muss man sich mit Fragen der Kosteneffizienz befassen. Sollten heute die Räume noch immer mit geschlossenen Lüftungssystemen mit CO2-Begasung geplant werden? Lohnt sich der Mehrertrag gegenüber den hohen Betriebskosten und den strengen Auflagen des Arbeitnehmerschutzgesetzes bezüglich der Begasung in Räumen oder fehlte bis heute einfach das Wissen einer wirklich funktionierenden und energieeffizienten Lüftung? Die Beantwortung solcher Fragen erfordert Kenntnisse zu Anlagenbau und den Eigenschaften der Cannabispflanze. Wenn man Architekten, Lüftungsplaner oder Klimatechniker einbeziehen möchte, können diese selten helfen, außer sie haben bereits spezifische Kenntnisse über Cannabisanlagen oder können korrekt angewiesen werden.
Phasen sind wichtig und brauchen Zeit
Wie im Leben allgemein, müssen in der Planung Phasen überstanden werden. Bei Spielen sind es Levels, bei Konzernen Karrierestufen. Selten überspringt man diese wichtigen Prozesse und die dazugehörige Lernkurve. Also dürfen wir das jetzt auch nicht tun. So sollten die Projekte in der richtigen Reihenfolge angegangen werden, damit das Risiko eines solchen Unterfangens in einem tragbaren Rahmen bleibt.
Phase 1: Erarbeitung der Grundlagen
Nebst dem Growraum und dessen Ansprüchen bezüglich des Klimas und der Größe sind auch die Nebenräume und der Workflow ausschlaggebend und müssen im gewünschten Objekt so angeordnet werden, dass die oben erwähnten Gesetze, in erster Linie der Brandschutz, eingehalten werden können. Die Wahl und Platzierung der Klimaanlagen unterliegen diversen gesetzlichen Bestimmungen und haben großen Einfluss auf die Baukosten. Die Liste der zu beachtenden Faktoren in dieser Phase umfasst ca. 250 Punkte und es müssen alle stimmig zueinander passen. Erst nach dem Abschluss dieser Phase können Richtpreise für den Bau genannt und Optimierungen diskutiert werden.
Phase 2: Unternehmen der einzelnen Gewerke bestimmen
Zuoberst auf der Liste steht der Architekt, welcher die Grundpläne für den Brandschutz ausarbeitet und das Projekt mit den Baueingaben begleitet. Die Subunternehmer werden definiert und instruiert.
Phase 3: Detailplanung und Offertenstellung
Wenn klar ist, wer, was, wie ausführen soll, können die einzelnen Unternehmen aufgrund eines Bauplans verbindliche Angebote erstellen. Erst dann hat der Bauherr die genauen Kosten ermittelt.
Phase 4: Baueingaben einreichen
Der Architekt kann ab dieser Phase die Behördengänge planen und eventuelle Änderungen vornehmen, sodass eine Baufreigabe stattfinden kann.
Phase 5: Erstellen des Projektplans für den Bau
Gut geplante Baustellen sparen viel Zeit und Geld. Parallel zur Wartefrist bezüglich der Baueingabe kann der Projektplan erstellt werden, welcher die Lieferfristen, Bauzeiten und Abläufe definiert.
Phase 6: Bestellen der Materialien, Baubeginn
Nachdem die Baufreigabe besteht, ist klar, dass der Plan so umgesetzt werden kann und das Material wird bestellt.
Phase 7: Umsetzung vom Bau
Der Baubeginn kann teilweise durch eine Teil-Baufreigabe schon parallel mit Phase 4-6 stattfinden, was aber einen guten Projektplaner voraussetzt. Während dieser Phase können Teil-Inbetriebnahmen vorgenommen und dem Bauherrn übergeben werden.
Phase 8: Betriebsbewilligung und Inbetriebnahme
Nach Beendigung der Arbeiten erstellt die Behörde die Betriebsbewilligung, womit dann auch mit der Inbetriebnahme der Anlage begonnen werden kann.
Phase 9: Abgabe und Garantie der Anlage
Die Übergabe an den Bauherrn geht etappenweise vor, da die installierten Komponenten eingespielt und über einen bestimmten Zeitraum abgestimmt werden müssen.
Gründliche Planung ist die Basis für Erfolg
Die Planung einer Cannabis-Produktionsanlage ist nicht nur eine Angelegenheit der Effizienz, sondern auch eine Frage der Sicherheit und langfristigen Rentabilität. Die Herausforderungen, die mit dem Bau und Betrieb solcher Anlagen einhergehen, sind vielschichtig und erfordern ein tiefgreifendes Verständnis von Gesetzen, Vorschriften und technischen Aspekten. Es ist unbestreitbar, dass eine sorgfältige Planung und strukturierte Umsetzung mehr als 35 % der Gesamtkosten und Betriebskosten einsparen kann, während gleichzeitig die Sicherheit und Kontinuität der Produktion gewährleistet wird.
In diesem Sinne ist eine gründliche Planung nicht nur eine Option, sondern eine Notwendigkeit, um den Herausforderungen der Branche zu begegnen und eine solide Grundlage für zukünftiges Wachstum zu schaffen.
Bilder: Marc Montandon